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Mycoplasma hyorhinis: Potenzielle Prozesskontaminante von Zellkulturmedien

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by KEVIN L. WILLIAMS
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Mykoplasmen sind eine Gattung von gramnegativen Bakterien aus der Klasse der Mollicutes

 

Was ist Mycoplasma hyorhinis?

Mykoplasmen sind eine Gattung von gramnegativen Bakterien aus der Klasse der Mollicutes. Die Klasse der Mollicutes umfasst die Gattungen Mycoplasma und Acholeplasma. Die Mollicutes besitzen keine Zellwand, sind sehr klein (200-300 nm) und haben ein kleines Genom. Da Mollicutes die meisten der für ihr Überleben benötigten Enzyme nicht selbst produzieren können, parasitieren sie auf eukaryotischen Zellen. Mycoplasma hyorhinis kommt hauptsächlich in Hausschweinen und selten auf der menschlichen Haut vor (z. B.: Sklerodermie ). Es kann die Ursache der enzootischen Pneumonie und des Porzinen Reproduktiven und Respiratorischen Syndroms (PRRS) sein.

Aufgrund des weitverbreitete Vorkommens in der Natur zählt Mycoplasma hyorinis neben Mycoplasma orale, Mycoplasma arginini, Mycoplasma fermentans, Acholeplasma laidlawii oder Mycoplasma hominis zu den fünf wichtigsten Zellkulturkontaminanten (95 %)1.

Die geringe Größe, die variable Struktur und das Fehlen einer Zellwand tragen dazu bei, dass die gängigen Nachweis- und Kontrollmethoden für die Eindämmung anderer Mikroorganismenarten bei Mykoplasmen wirkungslos sind. 

Das Fehlen einer Zellwand ermöglicht es den Mollicutes, Sterilfilter (einschließlich 0,1-mm-Filter) unter hohem Druck zu durchdringen. Die sehr geringe Anzahl, die Sterilfilter durchdringen kann, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Kontamination bei der Prüfung nach der Produktion nicht erfasst wird (Windsor, Windsor und Noordergraaf).

Dieser Artikel soll einen Überblick über die Merkmale sowie mögliche Maßnahmen für Nachweis und Kontrolle von Mykoplasma hyorhinis im speziellen, sowie Mykoplasmen generell verschaffen. 

 

Wie kommt es, dass Mycoplasma hyorhinis eine potenzielle Prozesskontaminante ist?

 

Mycoplasma hyorhinis kann in Rohstoffen natürlichen Ursprungs vorhanden sein, insbesondere in pulverförmigen Zusätzen für die Zellkultur, einschließlich Rinderserum und Trypticase-Soja-Nährlösung. Das Wachstum von Mycoplasma hyorhinis in einfachem Mykoplasmen-Medium deutet auf einen geringen Nährstoffbedarf hin. Die zunehmende Verwendung der Sterilfiltration in der Prozessproduktion (im Gegensatz zur Hitzesterilisation) wird als bekannter Zusammenhang mit der Zunahme von Kontaminationsereignissen mit Acholeplasma laidlawii angesehen.

Die Kontaminationsereignisse mit Mykoplasmen und Acholeplasmen können die Eigenschaften von Zellkulturen verändern. Dies birgt das Potenzial für veränderte zelluläre Nebenprodukte und sogar beeinträchtigte Biologika in sich.

 

Wie kann Mycoplasma hyorhinis in Zellkulturmedien verhindert werden?

Weltweite Schätzungen gehen davon aus, das 15 bis 35 % aller Zellkulturprozesse mit Mykoplasmen, darunter auch Mycoplasma hyorhinis kontaminiert sind. Da ein Großteil der biotechnologisch gewonnenen Arzneimittel in eukaryontischen Zellkulturen produziert werden, ist eine routinemäßige Kontrolle auf das Vorkommen von Mykoplasmen vorgeschrieben. 

Neben der Verwendung von serumfreiem Medium 3, 4 ist auch der Einsatz von hitzesterilisiertem Wasser zum Auflösen von pulverförmigen Medienbestandteilen anzuraten. Laut Laidlaw und Elford sind Mykoplasmen-Kulturen nach 15 min bei 45 °C zahlenmäßig deutlich reduziert, und werden bei 55 °C für 5 Min. abgetötet. Windsor, Windsor und Noordergraaf bestätigten diese Ergebnisse, bei denen die Überlebensrate von Mycoplasma hyorhinis bei 50 °C und 60 °C in zwanzig Minuten auf Null reduziert wurde, 40°C können sie jedoch gut überstehen.  Laut diesen Forschern: „… ist zurzeit nicht bekannt, wie Mycoplasma hyorhinis Teil der Gesamtkeimzahl in Pulvern wird oder ob ähnliche Pulver (Peptone oder Albumin) die einzige potenzielle Quelle dieser Kontaminante in serumfreien Zellkulturmedien sind.“ Zusätzlich ist „Die Fähigkeit dieses Organismus, Sterilfilter zu passieren und dann in einfachen Pepton-Nährlösungen oder Zellkulturmedium-Rezepten, die bei Kühltemperaturen gelagert werden, zu hohem Titer anzuwachsen, problematisch für die Biopharmabranche.“

 

Wie kann die Präsenz von Mycoplasma hyorhinis in der pharmazeutischen Produkten nachgewiesen werden?

Das Testung auf Mykoplasmen-Kontaminanten in der pharmazeutischen Produktionsumgebung ist eine allgemeine Anforderung der Aufsichtsbehörden. Eine Anleitung für diese Testungen findet sich im United States Pharmacopeia (USP, Arzneibuch der Vereinigten Staaten) Kapitel <63> Mycoplasma Tests, dem European Pharmacopoeia (EP, Europäisches Arzneibuch) Kapitel 2.6.7 Mycoplasmen, FDA 1993 Points to Consider (PTC), und dem Code of Federal Regulations 21 CFR 610.30 Test auf Mycoplasma.

Mykoplasmen-Kontaminationen, z. B. mit Mycoplasma hyorhinis, können leicht unbemerkt bleiben, da sie mit bloßem Auge und unter dem Lichtmikroskop auch bei erhöhten Titern nicht sichtbar sind.

Es braucht Routinetests, um sicherzustellen, dass Zellkulturen nicht kontaminiert sind und dass auch nachfolgende Chargen nicht von einer ursprünglich kontaminierten Charge weiter verunreinigt werden. Zu den Nachweismethoden gehören: direktes Wachstum in flüssigem und/oder festem (Agar) Kulturmedium, spezifische DNS-Färbung, PCR, ELISA, RNS-Markierung und enzymatische Verfahren.

Für den Nachweis von Mykoplasmen gibt es ein reichhaltiges Angebot an Technologien mit unterschiedlichen Vor-/Nachteilen: Vorteilhaft ist der Nachweis des Großteils aller relevanten Mollicutes-Spezies bei gleichbleibender Spezifizität für jede nachgewiesene Spezies sowie einer geringen falsch-positiv Rate. Unvorteilhafte Methoden liefern falsch-positive Ergebnisse, sind zeit- und arbeitsaufwändig und verfügen trotzdem nicht über die gewünschte Spezifizität.

Angesichts der Sequenzierung des kompletten Genoms von Mycoplasma hyorhinis 5 und anderen Mollicutes ermöglichen PCR-Sonden ihren schnellen und spezifischen Nachweis. Zu dem neuen BioFire® Mykoplasmen-Panel gehört neben einem Primer für M. hyorhinis auch ein vollständiges Panel anderer Mollicutes. Eine automatisierte einfache Probenvorbereitung und Testdurchführung ermöglichen Atline-Ergebnisse in weniger als einer Stunde.

 

Wie kann Mycoplasma hyorhinis in der Biopharmabranche weiter kontrolliert werden?

Laut Chandler, Volokhov und Chizhikov kann M. hyorhinis im speziellen und Mykoplasmen generell dazu neigen, Peptone zu kontaminieren. Es ist also anzuraten, routinemäßig auf die Abwesenheit von Mykoplasmen zu testen. 

Generell ist es nicht notwendig, in Bakterien oder Hefen hergestellte Impfstoffe und rekombinante Produkte auf Mykoplasmen zu testen. Da die Zusammensetzung der Wachstumsmedien dieser schnell wachsenden Organismen für die Bedürfnisse von langsam wachsenden Mykoplasmen nicht optimal ist, kann eine Mykoplasmenkontamination weitgehend ausgeschlossen werden. Jüngste Berichte schildern jedoch einzelne Fälle, wo mit lebensfähigen Mykoplasmen (insbesondere mit M. hyorhinis 6 ) kontaminierte Peptone (z. B. sterilfiltrierte Trypton-Sojaprodukte) in der Herstellung von mikrobiologischen Wachstumsmedien verwendet wurden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, alle Rohstoffe sorgfältig auf eine mögliche Mykoplasmen-Kontamination zu untersuchen. Des weiteren ist es hilfreich, Verfahren zu entwickeln, die das Risiko einer Einbringung von lebensfähigen Mykoplasmen über Rohstoffe deutlich reduzieren z. B.: UV-Bestrahlung von Rohstoffen. 

In Industriellen Kontrollrichtlinien/maßnahmen finden sich Empfehlungen zur wirksamen Kontrolle von Mycoplasma hyorhinis z. B. in Medien, Seren und Prozessbestandteilen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf einem selektiven Einkauf mit einem dokumentierten Lieferantenmanagementprogramm, Good Manufacturing Practices (GMPs, gute Herstellungspraktiken), Hazard Analysis and Critical Control Points (HACCP, Gefahrenanalyse und Kritischer Kontrollpunkt), vorgeschriebenen QK- Programmen und zuverlässigen Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung.

Viele Prozesse können bei der Mykoplasmenkontamination eine Rolle spielen. In weiterer Folge werden die wichtigsten angeführt: Einkaufspraktiken für Rohstoffe, der Versand/Empfang von Inhaltsstoffen, physische Einrichtungen, Mitarbeiter und Besucher, Verfahren und Richtlinien (wie z.B.: Hygiene & Reinigung, Schädlingsbekämpfung, Materialumschlag, Staubkontrolle und Luftzirkulation, Feuchtigkeitskontrolle), Wartung und Betrieb von Anlagen, Verpackung, Lagerung und Transport, Kontrollverfahren, Probenahme und Analyse.

 

 

Welche gängigen Branchen sind von Mycoplasma hyorhinis betroffen?

Mycoplasma hyorhinis ist für alle Biopharmabereiche, die Zellkulturtechniken einsetzen, von Bedeutung.

Lösungen und Produkte von bioMérieux

BioFire® Mycoplasma

BioFire® Mycoplasma, auch Labor im Riegel (lab in a pouch) genannt, ist ein geschlossenes, vollautomatisiertes System, das einen hochempfindlichen und breiten Nachweis von Mollicuten mit weniger als fünf Minuten Personalaufwand ermöglicht.

Im geschlossenen Einweg-Testriegel sind alle nötigten Reaktionsschritte für den Mykoplasmen- Nachweis bereits integriert. Dies beinhaltet sowohl die Nukleinsäurenextraktion und -aufreinigung als auch eine zweistufige nested Multiplex real-time PCR (verschachtelte Multiplex-Echtzeit-PCR). Die einfache Bedienung ist schnell geschult und kann auch von Personen ohne PCR-Vorkenntnisse leicht durchgeführt werden. Die Laufzeit beträgt weniger als 1 Stunde. 

Die in jedem Riegel enthaltenen fünfzehn verschiedenen PCR-Assays ermöglichen die Abdeckung der genetische Vielfalt der Mollikuten-Klasse. Detektiert werden unter anderem Spezies der Gattungen Acholeplasmen, Entomoplasmen, Mesoplasmen, Mykoplasmen, Phytoplasmen, Spiroplasmen und Ureaplasmen. Drei interne Kontrollen gewährleisten die Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Sie überwachen von der Probenentnahme bis zum Amplikon-Nachweis alle Reaktionsschritte im Riegel.

Bei der Entwicklung von BioFire® Mycoplasma wurde besonders auf die Einhaltung der Anforderungen aller gängigen Arzneibücher (USP, EP, JP) Wert gelegt. Studien, die die Nachweisgrenze (LOD) von ≤ 33 KBE/ml bei 0,2 ml und ≤ 10 KBE/ml bei 10 ml Probenvolumen, aller in den gängigen Arzneibüchern angeführten Mykoplasma-Spezies belegen, liegen vor. 

Direktes Testen von 0,2 ml-Proben soll die häufigere Überwachung von Rohstoffen, Zellbanken sowie frühen Zwischenprodukten ermöglichen. Desweiteren kann es bei Arzneimitteln wo nur begrenztes Volumen zur Verfügung steht (z.B.: autologen Zelltherapien) eine Alternative bieten. Die für die Endproduktfreigabe geforderte Nachweisgrenze von 10 KBE/ml wurde  bei 10 ml-Proben für alle getestesten Mykoplasmen-Spezies erreicht, hierbei sind nur wenige einfache Zentrifugationsschritte nötig. 

 

Literaturhinweise

1 Considerations for risk and control of mycoplasma in bioprocessing, Angart et al., Current Opinionin Chemical Engineering, 2018,22:161–166.
2 The scope of mycoplasma contamination within the biopharmaceutical industry, Armstrong, Mariano , Lundin., Biologicals. 2010 Mar;38(2):211-3. doi: 10.1016/j.biologicals.2010.03.002.
3 Low IE. Isolation of Acholeplasma laidlawii from commercial serum free tissue culture medium and studies on its survival and detection. Appl Microbiol 1974:1046–52.
4 Beardsley T. Contamination at flow labs. Nature 1983;304:674.
5 Complete Genome and Proteome of Acholeplasma laidlawii, Lazarev et al., Journal of 5 Bacteriology Aug 2011, 193 (18) 4943-4953; DOI: 10.1128/JB.05059-11.
6 PDA (2010) Technical Report No. 50: Alternative Methods for Mycoplasma Testing. Bethesda, MD.

 

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